Compliance Management – BGH Urteil 2017
Compliance Management – BGH Urteil 2017
- Compliance Systeme werden von vielen deutschen Unternehmen insbesondere im Mittelstand immer noch als Formalismus angesehen.
- Die Einführung, Umsetzung und laufende Verwaltung eines umfassenden Compliance-Systems Zeit und Geld kostet.
- Doch, dass kann sich im Falle eines Compliance-Verstoßes schnell bezahlt machen kann.
- Ein wegweisendes neues Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.2017 (1 StR 265/16) verdeutlicht die Bedeutung eines Compliance-Managementsystems.
Leitsatz des BGH-Urteils vom 09.05.2017: Verhängung einer Geldbuße gegen einen Nebenbeteiligten im Steuerstrafverfahren: Minderung der Geldbuße gegen eine sog. Leitungsperson bei Installation eines Compliance-Systems zur Vermeidung von Rechtsverstößen
Compliance Management – BGH Urteil 2017 – BGH-Urteil vom 09.05.2017
Bei der Verhängung einer Geldbuße gegen eine sog. Leitungsperson kann die Installation eines effektiven, auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegten Compliance-Systems zu einer Minderung der Geldbuße führen. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Leitungsperson in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.
BGH-Urteils vom 09.05.2017 – Compliance Management – BGH Urteil 2017 – Begründungen
Im Kern ging es in diesem Urteil um folgende Punkte:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Tatmehrheit mit Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Von weiteren Vorwürfen der Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung und des versuchten Prozessbetruges hat es ihn freigesprochen. Gegen die Nebenbeteiligte hat das Landgericht gemäß § 30 Abs. 1 OWiG eine Geldbuße in Höhe von 175.000 Euro festgesetzt.
Das Landgericht hat – soweit es den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe und die Nebenbeteiligte zu einer Geldbuße verurteilt hat – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- Mit Vertrag vom 5. Juli 2001 verkaufte die Nebenbeteiligte, ein in Deutschland ansässiges Rüstungsunternehmen, 24 Panzerhaubitzen vom Typ PzH 2000 zum Preis von 188.008.929 Euro an den griechischen Staat. In diesem Zusammenhang gaben der Angeklagte als leitender Angestellter und Prokurist der Nebenbeteiligten und sein Vorgesetzter Dr. H. im August 2002 eine vom B. (im Folgenden: B. ) gestellte und auf den 4. August 2002 datierte Provisionsrechnung in Höhe von 1.858.584,18 Euro (brutto) bzw. 1.602.227,74 Euro (netto) zur Zahlung frei und leiteten sie an die Buchhaltung weiter.
- Bei dem B. handelt es sich um eine im Jahr 1997 von zwei ehemaligen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und einem Professor der Technischen Universität Be. gegründete (Beratungs-)-Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ausschließlich im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Verkaufs der PzH 2000 an Griechenland aktiv wurde. Sie verfügte über einen persönlichen Zugang zum damaligen griechischen Verteidigungsminister T., war aber in offizielle Verhandlungen mit Griechenland zu keinem Zeitpunkt eingebunden. Bei der Freigabe der Rechnung war dem Angeklagten bewusst, dass das B. seine im Vorfeld des Vertragsschlusses erbrachten Dienstleistungen auf der Grundlage einer mit der Geschäftsleitung der Nebenbeteiligten, Dr. Bo. und Dr. Z., und Verteidigungsminister T. getroffenen Bestechungsabrede erbracht hatte. Die Rechnung wurde – wie vom Angeklagten beabsichtigt – von der Buchhaltung der Nebenbeteiligten beglichen und als ordentliche Betriebsausgabe der Firma für das Jahr 2002 verbucht, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm.
- Die an das B. gezahlte Provision ging entgegen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG vollumfänglich in die unter anderem von Dr. Bo. unterzeichnete Erklärung der Nebenbeteiligten zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2002 vom 4. Dezember 2003 als Betriebsausgabe ein, was der Angeklagte ebenfalls billigend in Kauf nahm. Der hierauf ergangene unrichtige Feststellungsbescheid des Finanzamts M. III vom 3. Februar 2004 führte zu einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil der Nebenbeteiligten in Höhe von 1.602.227,74 Euro (Tatkomplex C. I. der Urteilsgründe).
- In den Jahren 2002 und 2004 erhielt der Angeklagte vom Zeugen P.- einem mit ihm befreundeten Vertreter der Nebenbeteiligten in Griechenland – aus den von der Nebenbeteiligten an P.gezahlten Provisionen bzw. Vergütungen im Zusammenhang mit dem Projekt Panzerhaubitze PzH 2000 verdeckte Provisionszahlungen in Höhe von mehr als 657.000 Euro auf sein Konto bei der Schweizer Bank V. AG. Auf den strafrechtlich nicht verjährten Veranlagungszeitraum 2004 entfiel dabei ein Betrag von 357.892,10 Euro. Der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Angeklagte verschwieg den Erhalt dieser Zahlungen sowie daraus resultierende Kapitalerträge in Höhe von 14.374,89 Euro gegenüber den Finanzbehörden in seiner am 8. März 2005 für den Veranlagungszeitraum 2004 abgegebenen Einkommensteuererklärung. Er verkürzte hierdurch Einkommensteuer in Höhe von 140.508 Euro sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 7.727,94 Euro.
- Eine von ihm am 6. Januar 2014 hierzu abgegebene und auf Schätzungen beruhende Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt K. hat das Landgericht gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für unwirksam erachtet. Nach seiner Auffassung war die Steuerhinterziehung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits entdeckt; auch habe der Angeklagte bei verständiger Würdigung der Sachlage mit einer Entdeckung rechnen müssen. Ein Absehen von der Verfolgung gemäß § 398a AO sei daher nicht in Betracht gekommen (Tatkomplex C. II. der Urteilsgründe).
Sachverhalt – Leitsatz und Entscheidung – Compliance Management – BGH Urteil 2017
In dem entschiedenen Strafrechtsfall ging es um eine Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Korruption im Ausland. Eine wichtige Vorschrift zur Bemessung des Bußgeldes für Unternehmensverantwortliche, das in derartigen Fällen sowie in anderem Zusammenhang (Kartellrecht) existenzbedrohende Größenordnungen annehmen kann, ist § 30 OWiG.
Nach §30 OWiG kann gegen einen Unternehmensverantwortlichen (z.B. das Mitglied eines Organs oder einen Handlungsbevollmächtigten) eine Geldbuße verhängt werden, wenn dieser eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.
Eine solche Straftat oder Ordnungswidrigkeit kann bereits dann vorliegen, wenn es irgendwo im Unternehmen zu einem Verstoß kommt, der bei einer ordentlichen Überwachung hätte verhindert werden können.
Klassische Fälle sind insoweit Bestechungstatbestände, aber auch Kartellverstöße. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, auch im Arbeitsrecht (z.B. Arbeitszeitrecht, im Recht der Arbeitnehmerüberlassung, Verpflichtungen nach dem Sozialgesetzbuch usw.).
Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, ob sich ein vorhandenes Compliance-Managementsystem bußgeldmindernd oder sogar bußgeldausschließend auswirken kann.
In der BGH-Entscheidung heißt es zu Compliance Management – BGH Urteil 2017:
„…Im Hinblick auf die Höhe der gemäß § 30 Abs. 1 OWiG neu zu bemessenden Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte wird das neue Tatgericht Gelegenheit haben, die Vorschriften des § 30 Abs. 3, § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG in den Blick zu nehmen, nach denen die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, der aus der Ordnungswidrigkeit gezogen worden ist, übersteigen soll. Für die Bemessung der Geldbuße ist zudem von Bedeutung, inwieweit die Nebenbeteiligte ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss (vgl. Raum in Hastenrath, Compliance – Kommunikation, 2. Aufl., S. 31 f.). Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die Nebenbeteiligte in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden…“
Dabei berücksichtigt der Bundesgerichtshof ausdrücklich auch, ob ein Unternehmen nach einem Verstoß die Regelungen des (vorhandenen) Compliance-Managementsystems optimiert und interne Abläufe so organisiert hat, dass Rechtsverletzung mindestens erschwert, wenn nicht künftig verhindert werden.
Wenn ein System vorhanden ist und auch tatsächlich umgesetzt wird (d.h. z.B. Aktualisierungen werden durchgeführt, Schulungen der Mitarbeiter werden durchgeführt, eine ständige Kontrolle findet statt und Verstöße werden konsequent geahndet), dann kann auch ein nicht perfektes Compliance-Managementsystem bußgeldmindernd bewertet werden, sofern daraus weitere Konsequenzen abgeleitet und Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden.
To Do´s für die Praxis – Compliance Management System – Compliance Management – BGH Urteil 2017
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass die Einführung, Durchführung und konsequente Umsetzung eines Compliance-Managementsystems kein Formalismus ist.
Die Schaffung, Durchführung und laufende Aktualisierung eines Compliance-Managementsystems enthält ungeachtet des betroffenen Rechtsvorschriften (z.B. Vergaberecht, Kartellrecht, Geldwäschegesetz) immer auch arbeitsrechtliche Komponenten.
Die wirksame Einführung von Unternehmensrichtlinien zur Compliance unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiter ist eine originär arbeitsrechtliche Aufgabe. Gleiches gilt für Schulungs- und Kontrollmaßnahmen ebenso wie für die konsequente arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen.
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